MACHT DIE STULLE GREAT AGAIN!
EUROPA PRODUZIERT INZWISCHEN SO VIEL PLASTIKMÜLL, DASS ES SELBST DEN CHINESEN ZU VIEL IST. DA MUSS SICH ETWAS ÄNDERN.
Vor ein paar Tagen war es der Online-Ausgabe des Nachrichtenmagazins Spiegel eine Schlagzeile wert: „China stoppt Abfallimporte: Wohin jetzt mit unserem Müll?“
Der Bericht lenkt den Blick auf ein schmuddeliges Thema, das man nicht so gerne genauer betrachtet. Vermutlich deshalb, weil man sonst doch über kurz oder lang den Lebenswandel der Deutschen ziemlich kritisch hinterfragen muss.
Eine Recherche zu Müll-Statistiken in Deutschland befördert viele Zahlen zu Tage. Exemplarisch seien hier nur noch einige genannt:
Jede Stunde gehen in Deutschland 32.000 Coffee-to-Go-Becher über die Theke. Jährlich sind es insgesamt 2,8 Milliarden Becher. Um sie zu produzieren, braucht man 64.000 Tonnen Holz, 1,5 Milliarden Liter Wasser und 11.000 Tonnen Kunststoff. (Quelle: Bündnis 90/Die Grünen)
Jeder Deutsche produziert im Schnitt jährlich 617 kg Müll. (Quelle: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit) Zu diesem Müllberg gehören Restmüll, Biomüll und Verpackungsmüll, der in privaten Haushalten, im Handel und in der Produktion anfällt. Hochgerechnet auf das jährliche Müllaufkommen des Landes ergibt sich damit ein Wert von fast 50 Millionen Tonnen Müll.
Etwa zwei Drittel des privaten Verpackungsmülls fallen durch Getränke, Lebensmittel und Haustierfutter an. (Quelle: Umweltbundesamt)
Die Menge an Verpackungsmüll steigt mit der Konjunktur. Geht es uns gut, gönnen wir uns auch mal etwas – und das ist meist verpackt. Lediglich 2009, während der Weltwirtschaftskrise, sank das Müllaufkommen.
Wir Deutschen sehen uns als Recycling-Könige. Wir sortieren den Müll, wir haben den Grünen Punkt erfunden. Wenn man dann aber erfährt, dass Müll auch dann als recycelt in die Statistik eingeht, wenn er nur zwecks Recycling nach China verschifft wurde, wird man doch nachdenklich. Vor allem, wenn man erfährt, dass China, wie eingangs angesprochen, europäischen Müll nicht mehr annimmt. Das Recycling hinterlässt nämlich so viele Rückstände, dass inzwischen die Chinesen um ihre Umwelt fürchten. Und das will schon etwas heißen.
Natürlich ist es schön praktisch, wenn Verbraucher die Verantwortung der Industrie zuspielen: Sollen die doch bessere, nachhaltige Verpackungen erfinden! Ja, in der Tat: Die Entwicklung nachhaltiger Verpackungen muss auch durch die Produzenten vorangetrieben werden. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Auch Verbraucher stehen in der Verantwortung und beeinflussen mit ihren Kaufentscheidungen den Markt.
Lose Ware erfordert ein besonders aufwändiges Handling. Deswegen sind unverpackte Produkte mitunter teurer als die daneben liegenden, in Plastik eingeschweißten Varianten. Und hier steht jeder Einzelne vor der Frage, ob er sich für die nachhaltige oder die günstige Lösung entscheidet.
Müll zu vermeiden ist die sicherste Variante, wenn das Augenmerk darauf liegt, natürliche Ressourcen zu schonen. Stattdessen aber steigt die Menge an Verpackungsmüll. Kaffeekapseln wiegen im Schnitt neun Gramm, wovon ein Drittel auf die Verpackung entfällt! Kekse, Weingummis und Cracker sind in der großen Haushaltspackung nochmal portionsweise verpackt. Muss das sein? Natürlich gibt es dafür Gründe. Aromaschutz. Mehr Überblick beim Konsum: Wie viel ist überhaupt eine Portion? Weniger Übergewicht, gesünderes Leben.
Aber ganz ehrlich: Im Verhältnis steht das nicht. Portionsbeutel, die mich um Jahrhunderte überleben können, werden produziert, weil ich selbst nicht die Disziplin habe zu einzusehen, dass nach einigen Gummibärchen Schluss sein muss, selbst wenn noch viele davon verlockend im Beutel stecken? Ist die Kapsel wirklich nötig, damit der Kaffee schmeckt? Wenn das so wäre, müsste man sich ja fragen, wie Kaffee überhaupt zu Weltruhm gelangt ist. Seine Erfolgsgeschichte begann schließlich auch ohne Kapseln. Anscheinend schmeckte er den Menschen trotzdem.
Zur Menge an Müll in Deutschland, in Europa und auf der Welt kann man viele Zahlen zusammentragen. Man kann sich aber auch einfach mal über die täglich erlebte Realität Gedanken machen. Kleine, portionsweise verpackte Einheiten verkörpern den individualistischen Geist unserer Zeit, nach dem Motto: „Ich entscheide spontan und flexibel, was ich möchte – und zwar sofort.“ Das funktioniert. Aber nur für wenige, und nur vorübergehend. Den Preis zahlen andere – ob in anderen Ländern oder später irgendwann.
Es wird dringend Zeit, dass Stulle und Thermoskanne wieder Kultstatus erlangen! Gutes Essen schmeckt nämlich mindestens genauso gut, wenn es hausgemacht ist.